Das bevorstehende Referendum in Großbritannien verbinden viele Menschen mit der Sorge um die Zukunft der EU bzw. Europas. Unabhängig von den anhaltenden Diskussionen um eine mögliche Leitzinsanhebung in den USA, Unsicherheiten bezüglich des Zustandes der us-amerikanischen Wirtschaft und anderer Kapitalmarktrisiken sollte man in einem solchen Umfeld eines tun: Ruhe bewahren und sich nicht von kurzfristigen Einflüssen leiten lassen
Folgende Fakten:
Zuerst wagen wir einen Blick auf das reine Zahlenwerk. Es wird im Börsenjahr 2016 einmal mehr sichtbar: Die gefühlte Volatilität ist höher als die tatsächliche. Wer also den deutschen Leitindex DAX fälschlicherweise als repräsentativ für den globalen Aktienmarkt erachtet, der findet sich permanent in „turbulenten“ Phasen wieder. Als schmaler Aktienindex ist der Dax nicht ausreichend diversifiziert (nur 30 Titel) und damit anfälliger für Schwankungen! Zudem finden sich Unternehmen im DAX wie E.ON und RWE wieder, deren Geschäftsmodelle mehr oder weniger ausgelaufen sind. Die Volatilität in 2015 und 2016 ist zwar gestiegen, aber noch nicht überdurchschnittlich.
Letztlich machen Kurse Meinungen. Im Vergleich Allzeithoch vom März 2015 hat der DAX per heute immer noch mehr als 24 Prozent eingebüßt, in der aktuellen „heißen Phase“ vor dem drohenden Brexit kocht Unsicherheit hoch. Zum wiederholten Male werden Anleger provoziert, alles in Frage zu stellen. Aufpassen!
Schauen Sie sich Ihre Depots an. Die Schwankungsbreiten sind deutlich geringer, als die der Märkte und insbesondere die des DAX. Die buchhalterischen Rückgänge fallen um ein vielfaches niedriger aus. Natürlich ist es in diesem Jahr außerordentlich schwierig, Geld zu verdienen. Als langjährige Investoren wissen Sie aber, dass es immer wieder Zeiten gibt in denen uns nichts weiter bleibt, als uns in Geduld zu üben. Wir halten an dem von uns oft zitierten Primärziel fest. Es lautet: so wenig wie möglich verlieren! Nur wer nichts verliert, verdient am Ende!
Zum Zweiten sollten wir die Dinge korrekt betrachten und die herrschende Aufregung etwas relativieren. Auf kurze bis mittlere Sicht sind Aktienkurse deshalb nicht prognostizierbar, weil deren weiterer Verlauf von Ereignissen abhängt, die heute noch nicht bekannt sind. Welches Umfeld haben wir heute?
Man kann guten Gewissens behaupten, dass mittlerweile die Höhe der absoluten Staatsverschuldungen das eigentliche Problem darstellt und eine Rückkehr zu den normalen Zinszyklen der Vergangenheit deswegen nahezu unmöglich ist. Die Politik der jeweiligen Notenbanken ermöglicht es den Regierungen, einen Staatskonkurs hinauszuschieben. Bleiben die Zinsen langfristig niedrig, wovon auszugehen ist, erscheinen Aktien allgemein ausgedrückt preiswert. Warum? Weil sich der faire Wert von Dividendenpapieren aus der Summe der abdiskontierten künftigen Unternehmensgewinne ergibt. Und je niedriger der Diskontierungszinssatz, umso wertvoller die zukünftigen Gewinne. Selbst dann, wenn sie absolut geringer ausfallen als heute.
Zum Dritten wollen wir erneut auf einen Umstand aufmerksam machen, der gern für Verwirrung sorgt. Täglich berichten freundliche Moderatoren kurz vor 20.00 Uhr in der ARD von den Geschehnissen an den Börsen. Häufig ist dabei vom DAX die Rede. Doch welchen DAX meinen sie? Immer den Performance DAX! Nie den Kurs DAX. Im Performance DAX sind jedoch die aufaddierten Dividendenzahlungen der Vergangenheit enthalten. Sie spielen für die aktuelle Bewertung eines Unternehmens keine Rolle mehr. Schauen Sie sich also den Kurs DAX an! Was werden Sie entdecken? Das er am 20.Juni 2007, also ungefähr ein halbes Jahr vor Ausbruch der Finanzkrise, bei 5.292 Punkten stand. Heute, um 13:35 Uhr, steht er bei 4.851 Punkten und somit etwas mehr als 8% niedriger als von 9 Jahren.
In den letzten 9 Jahren haben sich auf Unternehmensebene aber viele Dinge zum Positiven hin geändert. Die Schulden sind geringer, die Produktivität und die Margen höher. Das bedeutet, Unternehmen sind heute wertvoller als im Jahr 2007. Warum stehen die Kurse dann niedriger?
Wenn man das heutige Börsenumfeld mit den entsprechenden Vergleichsmustern aus der Vergangenheit beurteilt, könnte der Aufwärtstrend Bestand haben. Gut wäre es allerdings, wenn die zittrigen Hände einen wirklichen Grund bekämen zittrig zu sein. Es fehlt an einem derben und schmerzvollen Rückgang. Die bisherigen Schwankungen genügen noch nicht, um im großen Stil einzukaufen. Wir verhalten uns also weiterhin abwartend und beobachten die Entwicklungen, denn einige unangenehme Dinge gibt es natürlich auch. Nie herrscht nur eitel Sonnenschein.
Wir glauben, dass eine einmal bestehende Volatilität immer noch mehr Volatilität erzeugt, weil Anleger versuchen, aus kurzfristigen Kursauschlägen Gewinn zu erzielen. Ein wichtiger Grund für die Volatilität der Märkte ist, dass die Zentralbanken es auch mit einer Senkung der Fremdkapitalkosten (Zinsen), nicht schaffen, die Wirtschaft weltweit anzukurbeln. Neben den extrem hohen Schuldenquoten der Staaten, sehen wir diesen Umstand als den Wichtigsten an. Die langfristigen Folgen der ultralockeren Geldpolitik, das schwindende Vertrauen in unser Geldsystem – das hat eine ganz andere Tragweite als der mögliche Austritt Großbritanniens aus der EU. Am Ende des Tages kommen vielleicht Dinge auf uns zu, gegen die der „Brexit“ ein Kinderspiel ist. Für Investoren bedeutet das, Portfolios möglichst robust aufzustellen und sich nicht vom täglichen Börsenlärm verrückt machen zu lassen.
Kommen wir nun zum bevorstehenden Referendum in Großbritannien. Sicherlich steigt die Nervosität im Vorfeld dessen an. Aber: In Großbritannien wirkt ein parlamentarisch demokratisches System.
Internationale Verträge, also auch mit der EU, wurden von den jeweiligen britischen Regierungen geschlossen. Nicht vom Volk. Plebiszite haben somit keine rechtsgestaltende Wirkung. Das heißt, ein durch die Volksabstimmung beschlossener Austritt Großbritanniens aus der EU hätte keine sofortigen wirtschaftlichen und juristischen Auswirkungen. Im Fall des Austritts, wird es einen geordneten Rückzug geben. Bestehende Verträge werden gekündigt und Neue geschlossen.
Gemäß Artikel 50 der EU-Verträge gibt es für die Austrittsverhandlungen zunächst zwei Jahre Zeit. Währenddessen kann es sein, dass überhaupt nichts geschieht. Ob zwei Jahre ausreichen, wird man sehen. Die Schweiz brauchte immerhin zehn Jahre, um ihr Verhältnis zur EU bilateral abklären zu lassen.
Stichwort Schweiz. Im Vergleich zu Großbritannien hat eine Volksabstimmung im Alpenland eine sofort bindende Wirkung. Und dennoch lässt sich die jeweilige Executive in der Regel Zeit mit Umsetzungen. Jüngstes Beispiel ist das Einwanderungsgesetz. Vor zwei Jahren wurde mittels Volksentscheid beschlossen, die Möglichkeiten zur Zuwanderung drastisch einzuschränken. Bis heute gibt es keine anwendbare Regelung.
Die EU wird sich einen Austritt Großbritanniens nicht gefallen lassen. Wie Wolfgang Schäuble in den vergangenen Tagen schon postulierte – „Drin ist drin und draußen ist draußen“. Sondersituationen, wie sie die Schweiz und Norwegen nutzen, kann es zukünftig nicht mehr geben. Die Attraktivität einer EU-Mitgliedschaft würde leiden. Cherry Picking gehört dann der Vergangenheit an. Darüber sollte man die Einwohner Britanniens zwingend aufklären. Folge des Austritts könnte ein lang anhaltendes Siechtum der britischen Wirtschaft sein.
Ein Austritt dürfte aber nicht nur die britischen, sondern auch die gesamteuropäischen Wirtschaftsaktivitäten beeinträchtigen. Ein Rückgang der gesamtwirtschaftlichen Leistung könnte die Folge sein. Sich daraus ergebende reduzierte Gewinnerwartungen könnten negativ auf Aktienkurse wirken. Obwohl nicht seriös vorherzusagen, wollen wir einkalkulieren, dass die Finanzmärkte nach unten übertreiben könnten.
Handlungen:
In so einem Szenario dürften sich, wie erwähnt, interessante Kaufgelegenheiten ergeben. Weil Unternehmen im Laufe der Zeit üblicherweise eine Adaption an sich verändernde Rahmenbedingungen schaffen, positionieren wir die Depots so, dass wir die Kaufgelegenheiten bewusst nutzen können. In den vergangenen Tagen reduzierten wir in vielen Depots die Aktienquoten und erhöhten gleichzeitig die Cashquoten bzw. halten wir die seit einiger Zeit schon recht hohen Bestände an liquiden Mitteln.
Wir werden den Kopf weit aus dem Sand recken und das Szenario konzentriert beobachten. Ausgesuchte Aktien- und Mischfonds werden gehalten, auch wenn sie wegen eines Austritts von den Ereignissen gestreift werden. Deren Manager haben unser volles Vertrauen. Diese Fonds zeichneten sich schon in der Vergangenheit dadurch aus, dass sie weniger stark nachgaben als die Kapitalmärkte.
Da wir, wie oben erwähnt, inzwischen ausreichend Pulver gelagert haben, können wir ruhig an der Seitenlinie stehen und zum richtigen Moment ins Geschehen eingreifen.
Zum Schluß:
Die Voraussetzung für eine gute und langfristige Erfolgsbilanz besteht unserer Meinung nach darin, Zeiträume mit geringer oder gar keiner Wertentwicklung überstehen zu können. Durchaus erstrecken sich diese Zeiträume über Perioden, die fast immer ungemütlich sind. Das jedoch gehört dazu. Wir stehen Ihnen für Rückfragen sehr gern zur Verfügung. Falls Sie detailliertere Informationen zu den aktuellen Zusammensetzungen Ihrer Depots wünschen oder wissen wollen, wie sie sich perspektivisch entwickeln könnten, rufen Sie uns bitte an.
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